Auf dem LAG-Fachtag 2018 widmeten sich 130 Teilnehmer_innen der Ausgestaltung von tragfähigen Beziehungen in der Krippe.

Die Kinderkrippe ist häufig der Ort der ersten Beziehungen des Kindes außerhalb der Familie. In der Interaktion mit seinen Betreuungspersonen und anderen Kindern sammelt es wichtige Erfahrungen, welche sowohl für die kognitive, sprachliche und motorische Entwicklung als auch für die emotionale Entwicklung von großer Bedeutung sind. Die Ausgestaltung von tragfähigen Beziehungen sei deshalb eine der großen Herausforderungen erklärte Stefan Dinter, Geschäftsführer der LAG freie Kitaträger in seiner Begrüßung der 130 Teilnehmer_innen.

Dinter freute sich zudem, Lisa Rühmann, stellvertretende Amtsleiterin des Stadtschulamtes Frankfurt am Main, begrüßen zu können. Frau Rühmann betonte die Bedeutung von Bindung und Interaktion für die pädagogische Qualität in der Kindertagesbetreuung. Im Vergleich der verschiedensten pädagogischen Konzepte zeige sich immer wieder, wie diese Aspekte im Mittelpunkt stehen. Die LAG freie Kitaträger sichere mit ihrem Weiterbildungsprogramm „Qualität für die Arbeit mit den Jüngsten©“, in dessen Rahmen der Fachtag stattfindet, die kontinuierliche Weiterentwicklung der Kindertagesbetreuung im U3-Bereich in Frankfurt am Main. Sie betonte, wie sehr die vielfältige Frankfurter Betreuungslandschaft davon profitiere.

In Beziehung treten

Dass selbst ein Eröffnungsvortrag für einen Fachtag die Elemente Beziehung und Interaktion beachten muss, darauf wies die Referentin Jutta Daum gleich zu Beginn ihrer Ausführungen hin. Ob Kinder oder Erwachsene: Jede Form von Miteinander kann nur gelingen, wenn wir in Beziehung miteinander treten und unsere Interaktionen bewusst gestalten. Daum, Dozentin der Universität Gießen und Fortbildungsreferentin der LAG freie Kitaträger, fächerte das Thema breit auf, stieg mit Erklärungs- und Begründungszusammenhängen aus den verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven ein, um sich dann der Krippe als Beziehungs- und Interaktionsfeld für Kinder sowie der professionellen Handlungsebene der Fachkräfte zu widmen. Zudem öffnete sie in kreativer Weise das klassische Vortragsformat und bot immer wieder partizipative Elemente zur Einbeziehung des Publikums an.

Lernende Gemeinschaft

Daum verknüpfte Bindungstheorie, Hirnforschung und Psychoanalyse, indem sie die Rolle von Beziehungserfahrungen betonte, die von Anfang an gemacht werden, und sowohl das Gehirn als „Sozialorgan“ (Gerald Hüther) als auch die psychische Konstitution prägen. Auch der Hessische Bildungs- und Erziehungsplan berücksichtige dies, wenn er vom Kind als sozialem Wesen und von der entscheidenden Bedeutung von zwischenmenschlichen Beziehungen für Kinder in ihrer Entwicklung spreche. Diese beiden Elemente münden in den Begriff der „Ko-Konstruktion“, so Daum, der die interaktiven Momente in der lernenden Gemeinschaft zwischen Kindern und Erwachsenen betont.

Die besonderen Herausforderungen der professionellen Beziehungsgestaltung in den Einrichtungen stehen in Daums Vortrag im Mittelpunkt. Zunächst einmal ist zu berücksichtigen, dass die Kinder auch im frühen Alter mit ihren schon gemachten Beziehungserfahrungen in die Einrichtung kommen. An diese gilt es anzuknüpfen. Zudem ist heute nicht zu Unrecht von einer „institutionalisierten Kindheit“ die Rede. Die Krippe wird zu einem bedeutsamen Lebensort, zu einem „gemeinsam geteilten Betreuungsfeld“, so Daum, in dem Einrichtung und Familie immer zusammengedacht werden müssen.

Professionalität und Feinfühligkeit

Wie gestaltet sich die Fachkraft-Kind-Beziehung? Daum stellte fünf Aspekte in den Mittelpunkt: Zuwendung, Sicherheit, Stressreduzierung, Unterstützung in der Exploration und Assistenz. Erst in Kombination dieses sehr umfangreichen Aufgabenbündels kann von einer gelungenen Beziehung gesprochen werden. Schließlich deuten alle wissenschaftlichen Erkenntnisse darauf hin, dass es einen engen Zusammenhang zwischen gut gestalteten Interaktionen und kindlicher Entwicklung – sowohl kognitiv und emotional als auch sprachlich – gibt. Um in diesen Handlungsfeldern sicherer zu werden und Methoden an die Hand zu bekommen, nahm Daum die professionelle Handlungsebene genauer in den Blick und nimmt Bezug auf das Konzept der Feinfühligkeit. Es geht dabei darum, die Signale des Kindes wahrzunehmen, sie richtig zu interpretieren und prompt und angemessen auf sie zu reagieren. Dieses Konzept ist im familiären Rahmen entwickelt worden. In der Einrichtung steht aber nicht das einzelne Kind, sondern die Gruppe im Vordergrund. Es ist den Fachkräften deshalb nicht möglich, immer sofort reagieren zu können. Daum erwähnt Dorothee Gutknecht, die das Konzept der „professionellen Responsivität“ entwickelt hat und damit an Emmi Pickler und dem Verständnis von Achtsamkeit in pädagogischen Schlüsselsituationen anknüpft. Gutknecht empfiehlt, Handlungs- und Ablaufpläne – sogenannte Skripts – zu entwickeln, um den Kindern durch immer wieder gleich gestaltete Alltagsabläufe Sicherheit zu vermitteln.

Reckahner Reflexionen

Daum bezieht sich auch auf die „Reckahner Reflexionen zur Ethik pädagogischer Beziehungen“ des „Arbeitskreises Menschenrechtsbildung“. Nach dem Dorf Reckahn nahe der Stadt Brandenburg an der Havel benannt, dient dieses Papier mit zehn Leitlinien für gute pädagogische Beziehungen dazu, eine gemeinsame Haltung aller pädagogischen Professionen zu vermitteln. In Murmelrunden wurden die in den Reckahner Reflexionen zusammengefassten Aufgaben wie Wertschätzung, Zuhören, Rückmeldungen geben, Gelingendes benennen, Achtsamkeit, Selbstachtung und Anerkennung diskutiert. Einzelne aus dem Publikum betonten, wie zentral die Haltung in der Arbeit mit Kindern ist.

Workshops

In fünf Workshops – alle von ReferentInnen aus der Praxis ausgerichtet – konnten sich die TeilnehmerInnen in der Folge austauschen und ihr Fachwissen vertiefen:

  • Herausforderung Eingewöhnung (Petra Bernhardt, Dipl.-Pädagogin)
  • Selbstwirksamkeit und Persönlichkeitsentwicklung (Jutta Daum, Erziehungswissenschaftlerin M.A.)
  • Beziehung und Alltagssituationen (Nicole Kussauer, Bildungs- und Sozialmanagerin B.A.)
  • Beziehung als Schlüssel zur Sprache (Corina Jäger, Linguistin M.A. und LAG-Fachberaterin „Sprach-Kitas“)
  • Spiel in der Kindergruppe (Peggy Bresnik, Erzieherin und Coach)

Poetischer Abschluss

Zum Abschluss des Fachtags hatten sich die Organisatorinnen etwas Besonderes überlegt: Barbara Gerlach, Poetry-Slammerin aus Nürnberg war den ganzen Tag über anwesend, schnupperte in die verschiedenen Workshops hinein, sprach mit Teilnehmer_innen und Referentinnen und machte sich so ein Bild von der gesamten Veranstaltung. Dieses Bild fügte sie in einem poetischen Text zusammen, der auf eine andere, erfrischende Art die Inhalte des Fachtags zusammenfasste und – vorgetragen – das Publikum begeisterte.

Dieser Fachtag ist Teil unserer Kooperation mit der Stadt Frankfurt im Rahmen des Weiterbildungsprojektes „Qualität für die Arbeit mit den Jüngsten©“. Hier finden Sie weitere Informationen zum

Projekt „Qualität für die Arbeit mit den Jüngsten©“

Stadtschulamt Frankfurt