Erzieher*innen in Kitas stehen unter Stress und sind überlastet. So erleben wir Fach- und Leitungskräfte derzeit in unseren Beratungsgesprächen und so nehmen Trägervertreter*innen ihre Mitarbeiter*innen wahr. Das sind alarmierende Warnsignale, auf die mit gezielten Maßnahmen reagiert werden muss. Einige Maßnahmen möchten wir hier anregen.

Eine Frau hält sich erschöpft den Kopf: Viele Erzieher*innen sind momentan überlastet. Die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus in Kitas haben den Personalmangel verschärft.

Der Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen suggeriert einen Normalbetrieb, den Träger und Fachkräfte aus unterschiedlichen Gründen in den Einrichtungen nicht umsetzen können. Dennoch sind sie aufgefordert, dies so weit wie möglich zu tun. Wir nehmen wahr, dass viele Leitungskräfte und Fachkräfte bei dem Versuch trotz der Corona-bedingten Einschränkungen den Betreuungsalltag aufrecht zu erhalten, an ihre Belastungsgrenze stoßen oder überlastet sind. Das ist eine bedrohliche Entwicklung, die zeitnah den Fachkraftmangel verschärfen und Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung entgegenwirken könnte.

Verhältnis zwischen Fachkräften und Eltern belastet

Durch die vielen Maßnahmen in Kitas zur Eindämmung des Coronavirus ist das Verhältnis zwischen Eltern und Kita-Personal oftmals angespannt. Wenn Träger wegen pandemiebedingten Personalmangels (Verdachtsabklärung, Quarantäne, höhere Anzahl an Krankmeldungen wegen Erkältungssymptomen, etc.) die Öffnungszeiten zeitweise oder längerfristig kürzen müssen, halten viele Eltern Träger beziehungsweise Einrichtung dafür verantwortlich. Sie erkennen den (zusätzlichen) Personalmangel nicht als Folge der Pandemie. Träger und Leitungskräfte geraten dadurch unter Druck, sich bei Eltern rechtfertigen zu müssen. Und beide Seiten sind unzufrieden, weil Fachkräfte nicht mehr in der Lage sind den Kindern eine vollumfängliche und qualitätsvolle Betreuung zu bieten.

Fachkräfte durch Personalmangel und Corona-Maßnahmen belastet

Zusätzlich belastend wirken sich – neben dem Personalmangel – die Schutz- und Hygienemaßnahmen zur Eindämmung der Pandemie innerhalb und außerhalb der Einrichtungen auf die Fachkräfte aus. Außerdem fällt vieles entweder aufgrund des Corona-bedingten Personalmangels oder aufgrund der Kontaktbeschränkungen weg, was Fachkräfte normalerweise entlastet und motiviert:

  • Fortbildungen, Teamsitzungen, kollegiale Beratung, Reflexionsprozesse und Fallberatungen finden gar nicht oder nicht ausreichend statt.
  • Wichtige Tür- und Angelgespräche mit Eltern müssen mit hohem zeitlichen Aufwand in neuen Formaten stattfinden.
  • Vorbereitungszeit für die pädagogische Arbeit fehlt.

Burn-out-Risiko für Leitungskräfte und angehende Fachkräfte steigt

Hinzu kommt, dass Leitungskräfte aufgrund fehlenden Personals Kinderdienste übernehmen. Dadurch fehlt ihnen massiv Zeit für Leitungsaufgaben, wie Mitarbeiter- und Teamführung oder Anleitung pädagogischer Reflexionsprozesse. Bei vielen Leitungskräften entsteht derzeit das Gefühl, ihren Aufgaben nicht gerecht zu werden. Träger berichten uns, dass vermehrt Leitungskräfte kündigen und es fast unmöglich ist, die Stellen neu zu besetzen.

Besonders besorgniserregend ist unseres Erachtens zudem die Situation vieler Berufspraktikant*innen. Sie fangen Betreuungszeiten fehlender Fachkräfte auf, Anleitungsprozesse finden, wenn überhaupt, notdürftig statt. Sie können dadurch ihre Lernprozesse nicht angeleitet reflektieren. Der Einstieg in den Beruf ist von Überforderung, Anspannung und Demotivation geprägt. Eine Abwanderung aus dem Arbeitsfeld könnte die Folge sein.

Maßnahmen zur Entlastung des Kita-Personals

Folgenden Maßnahmen könnten unseres Erachtens dabei helfen, Fachkräfte in den Einrichtungen zu entlasten. Für diese Maßnahmen brauchen Träger allerdings den Rückhalt der politisch Verantwortlichen auf kommunaler Ebene und Landesebene:

  • Leitungszeit bleibt Leitungszeit: Leitungskräfte werden aufgefordert, ihren Leitungszeitanteil zu realisieren und sollen davon absehen, fehlende Fachkräfte im Gruppendienst zu ersetzen.
  • Zeitressourcen für mittelbare pädagogische Arbeit sicherstellen: Mittelbare pädagogische Arbeit entfällt nicht zu Gunsten des Kinderdienstes. Leitungskräfte planen die Vor- und Nachbereitungs-zeiten fest ein. Sie sind essentiell für die Qualität der Arbeit mit Kindern und die Zufriedenheit der Fachkräfte. Der Tatsache, dass es in der jetzigen Situation ohne Tür- und Angelgespräche mehr Zeit für die Elternkommunikation braucht, wird Rechnung getragen.
  • Anleitungszeit sicherstellen: Angehende Fachkräfte arbeiten mit mindestens einer erfahrenen Fachkraft im Kinderdienst. Zeiten für Anleitung und das Reflektieren von Lernprozesse sind fest eingeplant.
  • Kontinuität herstellen: Einrichtungen sollen ihre Öffnungszeiten bis auf Weiteres reduzieren, wenn aufgrund des Personalmangels die Umsetzung der beiden ersten Maßnahmen gefährdet ist. In diesen Einrichtungen wird Randzeitenbetreuung nur für abgesprochene Ausnahmefälle angeboten. Oder:
  • Kommunen und Städte verkürzen generell die Öffnungszeiten von Einrichtungen: Darmstadt, Hanau und Offenbach haben sich für diesen Weg entschieden (Hanau: 7:30-15:30 Uhr; Darmstadt: 7:30-16:00 Uhr; Offenbach: sechs Stunden täglich – wenn beide Eltern berufstätig sind, stehen ihnen acht Stunden zur Verfügung).
  • Eltern mit ins Boot holen: Eltern werden darüber informiert, dass die Betreuungszeiten einge-schränkt werden müssen, um pädagogische Qualität gewährleisten zu können.

Corona wird Kita-Betrieb weiterhin einschränken

Einen Impfstoff gegen das Corona-Virus wird es voraussichtlich Anfang nächsten Jahres geben. Der Betrieb in den Einrichtungen wird jedoch bis auf Weiteres eingeschränkt bleiben. Denn bis weite Teile der Bevölkerung geimpft sind, werden besondere Schutz- und Hygienemaßnahmen gelten. Daher braucht es schnell und jetzt Entlastung für das Kita-Personal. Die Kita-Fachkräfte sind ausgelaugt. Ihre Aufgaben passen seit langem nicht mehr zu den Zeitressourcen, die ihnen zur Verfügung stehen. Darauf verweist auch der zweite Teil der „Talis Starting Strong“-Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die das OECD gemeinsam mit dem Deutschen Jugendinstitut (DJI) und dem Bundesfamilienministerium am 30. November vorgestellt hat. Im Vergleich zu anderen Ländern erwägt laut der Studie hierzulande ein hoher Anteil der Fachkräfte den Beruf aus gesundheitlichen Gründen aufzugeben.

Bleibt eine Entlastung aus, befürchten wir, dass ein Teufelskreis entsteht: (Corona-bedingter) Personalmangel und Corona-Maßnahmen werden zu weiterer Belastung der Mitarbeiter*innen führen, die immer unzufriedener werden, weil ein Notbetrieb zu wenig Zeit für die pädagogische Arbeit lässt. Das wiederrum führt zu Burn-out und / oder Abwanderung in andere Berufe. Daraus entsteht weiterer Personalmangel in Einrichtungen …

Wir denken, dass unsere vorgeschlagenen Maßnahmen Fachkräfte entlasten können und wir setzen uns weiterhin dafür ein, dass die Rahmenbedingungen für die Arbeit in Kindertageseinrichtungen bessere werden.