Seit 2. Juni 2021 liegt der erste Referentenentwurf des Gesetzes zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter vor. Mit diesem Ganztagsförderungsgesetz soll ein Rechtsanspruch auf Schulkindbetreuung im Ganztag umgesetzt werden. Wir beleuchten die Eckpunkte des Ganztagsförderungsgesetzes und informieren darüber, wie es nun weitergeht, nachdem der Bundesrat dem Entwurf Ende Juni nicht zugestimmt hat.

Mit dem Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter wollen die Regierungsparteien CDU, CSU und die SPD noch vor den Wahlen ein Vorhaben aus ihrem Koalitionsvertrag umsetzen: Grundschulkindern einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung zu gewährleisten

Ein Mädchen balanciert mit einem Ball auf Steinen: Mit dem Ganztagsförderungsgesetz hätte sie täglich Anspruch auf acht Stunden Betreuung (inklusive Unterrichtszeit).

Was soll mit dem Ganztagsförderungsgesetz umgesetzt werden?

Bisher gibt es in Deutschland keine einheitliche Regelung dazu, welche und wie viele Betreuungsangebote die Bundesländer für Grundschulkinder vorhalten müssen. Somit sind die Unterschiede bezüglich Anzahl an verfügbaren Plätzen und Qualität der Betreuung bundesweit groß. Um eine höhere Chancengleicht und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten, enthält das Ganztagsförderungsgesetz folgende Vorgaben:

  • Kinder im 1. bis zum 4. Schuljahr sollen einen Rechtsanspruch auf mindestens acht Stunden Betreuung (inklusive Unterrichtszeit) haben.
  • Ganztagsangebote soll es auch während der Ferien geben.
  • Maximal vier Wochen Schließzeit sind im ganzen Jahr vorgesehen.

Diese Ziele sind begrüßenswert und seit der Einführung des Rechtsanspruchs auf Kindertagesbetreuung bis zum Schuleintritt folgerichtig und überfällig.

Wo gibt es Nachbesserungsbedarf?

Qualitätskriterien müssen definiert werden

Der Gesetzentwurf für einen Rechtsanspruch auf Schulkindbetreuung enthält keine Aussagen zur angestrebten Qualität der Ganztagsangebote, beispielsweise bezüglich der Qualifikation des Personals oder zum Standort, zur Größe und Ausstattung der Räumlichkeiten).

Im Sozialgesetzbuch (SGB) VIII ist eine weitgehende Erlaubnispflicht für Kindertageseinrichtungen und somit auch für Horte verankert. Diese gilt aber nach der Formulierung im Gesetzentwurf nur eingeschränkt für die Angebote der Jugendhilfe für Schulkinder: „Für anspruchserfüllende Angebote gilt die Erlaubnispflicht nach § 45 des Sozialgesetzbuch SGB VIII. Gemäß § 45 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 besteht davon eine Ausnahme, wenn eine entsprechende gesetzliche Aufsicht besteht. Dazu gehört insbesondere die Schulaufsicht.“ In den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Berlin, in denen Ganztagsangebote mittlerweile in Schulverantwortung liegen und der Schulaufsicht unterliegen, zeigt die Erfahrung leider, dass es hier zu einer deutlichen Absenkung der in der Jugendhilfe geltenden Qualitätsstandards gekommen ist. Daher hält es die LAG freie Kitaträger für wichtig, dass Qualität und Qualitätssicherung in der Ganztagsbetreuung definiert und im Gesetz verankert wird.

Bund muss deutlich mehr Mittel bereitstellen

Der Gesetzentwurf sieht eine Beteiligung des Bundes an den Kosten für den vor. Das Deutsche Jugendinstitut (DJI), das Berechnungen zu den Kosten des Gesetzesvorhabens angestellt hat, kommt jedoch zu dem Schluss, dass die Mittel, die für die Betriebskosten vorgesehen sind, viel zu niedrig angesetzt sind. „Der Bund wollte den Ländern nach den bisherigen Plänen 3,5 Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung stellen und sich langfristig mit knapp einer Milliarde Euro im Jahr an den laufenden Betriebskosten beteiligen. Die Personal- und Betriebskosten werden allerdings auf bis zu 4,5 Milliarden Euro im Jahr geschätzt.“ (FAZ online „Woran der Rechtsanspruch gescheitert ist“, Stand 20.7.2021)

Vielfalt der Betreuungsangebote mit freien Trägern ermöglichen

Noch ist nicht definiert, welche Landesministerien die Umsetzung des Rechtsanspruchs sowie die Mittelverteilung übernehmen. Damit Angebote freier Träger bestehen beziehungsweise ausgebaut werden können, sollten freie Träger im Ganztagsförderungsgesetz als Förderbereich explizit aufgeführt werden. Im Falle, dass die Umsetzung des Gesetzes in den Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Kultusministerien liegt, könnte somit ausgeschlossen werden, dass die Mittel ausschließlich in den Ausbau der Schulstandorte fließen und die Betreuungsvielfalt eine deutliche Begrenzung erfährt.

Wie geht es weiter mit dem Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung?

Der Gesetzentwurf für einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für alle Grundschülerinnen und -schüler hat bereits einige Hürden genommen. Mitte Juni hatte der Bundestag dem Gesetzentwurf zugestimmt. Am 25. Juni 2021 sollte der Bundesrat über den Gesetzentwurf abstimmen. Die Vertreter*innen der Länder lehnten eine Zustimmung jedoch zunächst ab, vor allem aufgrund der unzureichende Beteiligung des Bundes an der Finanzierung des Rechtsanspruchs. Die Mehrheit der Länder sprach sich daher für einen Anruf des Vermittlungsausschusses aus, der eine Einigung herbeiführen soll. Die Bundesländer wollen unter anderem eine jährliche Dynamisierung der Bundeszuschüsse erreichen.

Über die Notwendigkeit eines Rechtsanspruchs an sich gab es keinen Dissens. Denkbar ist somit, dass die Länder einem geänderten Gesetzentwurf bis Ende der Legislaturperiode im September zustimmen. Allerdings muss der Entwurf nochmals im Bundestag und Bundesrat abgestimmt werden. Kommt es vor der Bundestagswahl nicht zu einer Entscheidung, verfällt der Gesetzentwurf.

(Quelle: Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft Elterninitiative (BAGE) e.V. vom 21. April 2021)

Literaturhinweis

Mit dem Thema Qualität im Ganztag beschäftigt sich eine neue Publikation der Bertelsmann Stiftung:

Ganztag aus der Perspektive von Kindern im Grundschulalter; Eine Rekonstruktion von Qualitätsbereichen und -dimensionen

LAG Blogbeitrag

Frankfurter Schulkindbetreuung “Gesamtkonzept Ganztag”